Kleinbahn Erfurt-Nottleben

Die Beteiligung der Gemeinde Töttelstädt am Bau einer Eisenbahnlinie wird erstmals 1891 in Protokollen des Gemeindeausschusses erwähnt. Nach mehrjährigen Verhandlungen mit dem Landratsamt in Gotha über den Streckenverlauf (Gotha/Ost - Döllstädt bzw. Erfurt - Gotha), Haltestellen und finanziellen Beteiligungen kam es zu keiner Einigung.

Im September 1924 beschließt der Gemeinderat, sich den preußischen Ortschaften anzuschließen, die die Bahnstrecke Erfurt - Nottleben bauen wollen. Unter der Bedingung, dass der Bahnhof für Töttelstädt unmittelbar an der Straßenkreuzung Alach-Zimmernsupra-Töttelstädt liegen wird, ist man bereit, 11 Aktien zu je 1.000 Mark der Kleinbahnaktiengesellschaft Erfurt-Nottleben zu zeichnen.

Kleinbahn AktieAktie der Kleinbahn AG Erfurt-Nottleben

 

Kleinbahn Erfurt-Nottleben

Die Bahnlinie nach Nottleben hatte ihren Ursprung in dem 1917 gebauten Anschlussgleis zur königlichen Gewehrfabrik, später Büromaschinenwerke Optima, in unmittelbarer Umgebung der Festung Petersberg. Mit der Bitte nach einem dringend benötigten Gleisanschluss wandte sich die königlich- preußische-Gewehrfabrik im Juni 1915 an den Landrat des Landkreises Erfurt. Man einigte sich darauf, die Gleise nach den Plänen der Kleinbahnverwaltung zu verlegen, um sie später für die geplante Kleinbahn nutzen zu können. Am 22. Dezember 1917 wurde der Betrieb aufgenommen. Die Gleise führten vom an der Strecke Erfurt - Nordhausen gelegenen Bahnhof Erfurt Nord über Marbach und erreichten nach 6,6 Kilometern die westlich von Erfurt gelegene Gewehrfabrik.

Kleinbahn StreckeDer Streckenverlauf der Kleinbahn Erfurt-Nottleben.

Am 15. April 1925 erwarb die Kleinbahn das 6,6 Kilometer lange Anschlussgleis zur ehemaligen Königlich Preußischen Gewehrfabrik. Mit dem Einbau einer Weiche bei Kilometer 5,1 folgte der Streckenweiterbau nach Nottleben. Am 11. November 1926 wurde die insgesamt 21,2 Kilometer lange Strecke feierlich eröffnet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Bahn ab 1949 verstaatlicht und durch die Deutsche Reichsbahn betrieben. In den ersten Nachkriegsjahren war der Personenverkehr zu einem wichtigen Standbein geworden, was vor allem Übersiedlern, die auf dem Land wohnten und in der Stadt arbeiteten und der städtischen Bevölkerung, die zum "Hamstern" aufs Land fuhr, zu verdanken war. Die Stilllegung des Gleisanschlusses zum Optima-Büromaschinenwerk erfolgte am 1. Februar 1966. Am 28. August 1967 wurde der Personenverkehr eingestellt und durch Busse ersetzt.

Kleinbahn EndeAushang an der Tür des Empfangsgebäudes Erfurt-West.

 

Erfurter S-Bahn

Durch den Bau des Neubaugebietes Rieth im Norden der Stadt Erfurt wurde die verkehrliche Anbindung dieses Stadtteils an das Zentrum notwendig. Die vorhandenen Straßenbahnlinien und Busse konnten den wachsenden Transportbedarf nicht decken. Da ein vorhandenes Anschlussgleis der ehemaligen Kleinbahn Erfurt–Notleben direkt durch das Wohngebiet verlief, entstand der Plan, eine S-Bahn-Verbindung zwischen dem Norden der Stadt und dem Hauptbahnhof einzurichten. Da alle Gleisanlagen bereits vorhandenen waren, brauchten bis zur Eröffnung der Strecke nur zwei Haltepunkte neu errichtet zu werden. So konnte die S-Bahn Erfurt am 13. Mai 1976 nach einer Bauzeit von nur drei Monaten zur Entlastung des städtischen Nahverkehrs eröffnet werden.

Sie bestand aus einer Linie mit vier Haltepunkten. Vom Erfurter Hbf ausgehend verlief die S-Bahn-Strecke in einem Halbkreis nördlich um das Stadtgebiet herum und erschloss die Neubaugebiete im Norden Erfurts. Die Haltepunkte waren Erfurt Hbf, Erfurt Nord, Györer Straße und Berliner Straße. Die Fahrzeit zwischen den Endstationen betrug 13 Minuten. Die Streckenlänge betrug 8,7 km, davon 2,7 km auf ehemaligen Kleinbahngleisen.

sbahn1982Ein Zug der Erfurter S-Bahn 1982.

Im Kursbuch der DR wurde die S-Bahn Erfurt als Strecke 642 geführt. In Erfurt war diese Bahn eher unter dem Namen "Riethschleuder" bekannt. Einen Taktfahrplan hatte die Linie nicht. Schwerpunktmäßig verkehrten die Züge zu den Zeiten des Berufsverkehrs. An Werktagen pendelten acht (1985) bzw. neun (1990) Zugpaare auf der Strecke. Hierbei fuhr die Hälfte der Züge bis/ab Erfurt Nord. Dort bestand Anschluss an Züge in Richtung Hauptbahnhof. Zum Einsatz kamen Doppelstockwendezüge, die von Lokomotiven der DR-Baureihe 110 (ab 1992 DR-Baureihe 202) gezogen wurden. Hierdurch konnte auf die Errichtung eines Bahnhofs am Endpunkt der Linie verzichtet werden.

Durch veränderte Verkehrsströme nach der Einheit Deutschlands und die zunehmende Motorisierung wurde diese Verkehrslinie nach 1990 unbedeutend und am 27. Mai 1994 ganz eingestellt.

 

Traditionsbahn Erfurt West

Aus Anlass des Jubiläums "100 Jahre Eisenbahndirektion Erfurt - 135 Jahre Eisenbahn in Erfurt" im Juni 1982 wurde das Gelände des Bahnhofs Erfurt-West nicht nur für eine Fahrzeugschau genutzt, sondern es verkehrten auch zwischen dem Erfurter Hauptbahnhof und dem Bahnhof Erfurt-West dampflockbespannte Traditionszüge mit historischen Nebanbahnwagen. Die Begeisterung und der Zulauf der Bevölkerung waren so groß, dass ab 1983 die erste normalspurige Traditionsbahn der DDR auf dieser Strecke in den Sommermonaten ihren Betrieb aufnahm. Die Dampfzüge fuhren teilweise bis Bindersleben. Eingesetzt wurden historische Lokomotiven und Wagen der Deutschen Reichsbahn und des Verkehrsmuseums Dresden.

TBahn1Die 91 6580 vor einem Personenzug fährt aus Erfurt-West nach Bindersleben aus.

Unterwegs erhielten die Fahrgäste die Möglichkeit, die Züge im Erfurter Neubaugebiet, an den Blumenfeldern bei Marbach und vor dem Westbahnhof zu fotografieren. In dieser Zeit erfolgte auch die großzügige Restaurierung des alten Kleinbahn-Lockschuppens in Erfurt-West, eine neue Bekohlungsanlage entstand und die originale doppelte Kreuzungsweiche aus dem Jahre 1926 erfuhr eine behutsame Reparatur.

In dem ebenfalls instandgesetzten Empfangsgebäude befand sich im ehemaligen Warteraum II. ein kleines Museum mit Sammelstücken aus der Kleinbahnzeit, das die Eisenbahnfreunde einer Erfurter Arbeitsgemeinschaft eingerichtet hatten. Blickfang aber war das von ihnen in mehrjäriger Arbeit mit insgesamt 2.000 Arbeitsstunden gebaute H0-Modell des Bahnhofs Erfurt-West. Es konnte den vielen Besuchern ein Bild vermitteln, wie auf der Kleinbahnstrecke der betriebliche Ablauf im Jahr 1930 ausgesehen haben mag.

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Bilder aus "Eisenbahn Journal" 7/1995 und "Modelleisenbahner" 8/1987

Anläßlich des 1250-jährigen Bestehens der Stadt Erfurt fand dieser Traditionsbetrieb letztmalig am 27.09.1992 statt. Eingestellt ist nicht nur der Personenverkehr sondern auch der Güterverkehr zum Flughafen und nach Bindersleben. Ab dem Jahr 1999 wurde die Strecke von Marbach bis Bindersleben zurückgebaut, später dann auch noch das älteste Teilstück vom Nordbahnhof nach Marbach, das 1917 gebaute Anschlussgleis zur damaligen Königlichen Gewehrfabrik. Heute ist das Gelände des ehemaligen Westbahnhofes mit Wohnhäusern bebaut.